#bleibdu - Meine
Erfahrungen mit Mobbing und dessen Folgen
Im
Bezug auf das Buch "Mobbing ? Nicht mit mir!" von Dr. Holger Wyrwa, möchte ich euch einfach meine
Geschichte zum Thema Mobbing erzählen. Es sind mittlerweile zwar
einige Jahre vergangen, doch ich möchte auch erzählen, was Mobbing
anrichten kann, auch Jahre später. Mobbing
ist nicht nur, dass man jemanden vielleicht beleidigt, sondern auch
das einfache ausgrenzen einer Person aus einer Gruppe, einer
Gesellschaft ist eine Art von Mobbing.
Theoretisch
könnte ich schon in der Grundschule anfangen. Aber da müsste ich
sehr weit ausholen um alles verständlich zu erklären. Aber ich
glaube, dass würde den Rahmen sprengen. Ich
versuche eine Kurzfassung, da meine, für mich schlimmste Zeit, nicht
die Grundschule war.
Eingeschult
wurde ich 1997. Ich war ein sehr ruhiges und schüchternes Kind. Den
Umgang mit anderen Kindern in meinem Alter habe ich erst dort
gelernt. Warum ? Ich war nie im Kindergarten oder ähnliches.
Entweder hat mein Vater oder meine Mutter auf mich aufgepasst. Beide
waren voll berufstätig, also wurde sich tagsüber immer
abgewechselt, je nachdem wie die Arbeitszeiten waren. Natürlich war
ich auf dem Spielplatz mit meinen Eltern, aber dort spielt man dann
vielleicht zwei, drei Stunden mit anderen Kindern und nicht jeden Tag
mehrere Stunden. Also
wurde ich da ins kalte Wasser geschubst. Aber es war in Ordnung. Ich
war stolz ein Schulkind zu sein und Dinge zu lernen. Dadurch
das ich schüchtern war, hatte ich nicht viele Freunde da es mir
schwer gefallen ist, Kontakt aufzubauen. Mit "Pausenspiele"
wie fangen spielen, verstecken, hüpfen etc. Konnte ich nichts
anfangen. Also zog ich mich alleine zurück. Es
dauerte also nicht lange, bis mich andere Kinder als "Opfer"
sahen. Die Beleidigungen bezogen sich nicht auf meine Art, sondern
auf mein Aussehen. Ich war ein dickes Kind. Viel ungesundes Essen
zuhause, keine Verbote und wenig Bewegung. Blieb also nicht aus. Dann
durfte ich mir mit sechs, sieben Jahren schon anhören wie fett ich
sei. In
den meisten Fällen blieb es auch dabei. Hin und wieder fiel so etwas
wie "Hässlichkeit", ich wurde geschubst und mir wurde
Beinchen gestellt.
2001
stand dann der Schulwechsel an. Von der Grundschule ging es auf die
weiterführende Schule. Ich hatte eine neue beste Freundin in der
Grundschule gefunden, wovon ich wusste das sie auch auf die selbe
neue Schule gehen würde und wir sogar in eine Klasse kommen würden.
Yeah, Jackpot. Neuer Schulweg, neue Schule, neue Fächer. Alles neu.
Es blieb nicht aus, dass man auch dort neue Leute kennen lernte.
Sowohl bei meiner damaligen besten Freundin, als auch bei mir. Ich
lernte auch zwei neue Mädchen kennen, beide in meiner Klasse, uns
gab es in der fünften und sechsten Klasse fast nur im 3er Pack. Doch
die Interessen klafften irgendwann auseinander. Wir verstanden uns
nicht mehr so. Okay, alleine sein war ich gewöhnt. Aber man muss
sich auf dem Schulhof ja auch zwischendurch mal bewegen. Weil man
vielleicht zum Kiosk möchte oder zur Toilette etc.
Da
ich viel alleine war, hatte die älteren natürlich leichtes Spiel
mit mir. Ich war mit 11/12 Jahren schon etwas weit entwickelt, was
das äußerliche angeht. Ich hatte in dem Alter schon etwas mehr
Vorbau, als was vielleicht "normal" gewesen wäre. Zudem
hatte ich etwas Übergewicht. Das Bild könnt ihr auch jetzt einfach
vorstellen. Kleines dickes Mädchen mit Holz vor der Hütte. Etwas,
wofür ich ja nichts konnte. Die Tatsache, dass ich mit 12 mehr oben
rum hatte, wie andere Mädchen die 15 waren hat einigen nicht
gepasst. Ich durfte mir "nette" Sprüche anhören wie "Du
bist schäbig!"; "Fette Sau, geh abnehmen"; "Schämst
du dich nicht, so rumzulaufen ?"; "Du hast dir doch die
Titten machen lassen"; "Name einer Baywatch Blondie bitte
einsetzen". Solche Dinge habe ich mit 12 Jahren zu hören
bekommen. Die
Sätze klingeln mir immer noch in den Ohren.
Irgendwann
waren diese Neider, was anderes kann ich mir nicht erklären, mit der
Schule fertig und waren weg.
Ein
paar Jungs aus meiner Klasse fanden es lustig, mich jede Pause, jeden
Tag zu verprügeln. Ich wurde solange geschubst und geschlagen bis
ich endlich auf dem Boden lag. Da wurde dann nach getreten. Im
Klassenraum, wenn noch kein Lehrer da war, wurden mir meine Sachen
weggenommen, in den Müll geworfen und man fand es witzig, mir mit
den Knien in den Rücken zu springen.
Man
sollte meinen, Eltern und Lehrer müssten da doch etwas machen. Ja
natürlich wurde etwas gemacht. Es wurde weg gesehen.
Ich
habe mit meinen damaligen Lehrern gesprochen, es gab dann für die
Täter einen Eintrag oder eine Ansage, zwei Tage später ging es
wieder los. Auch meinen Eltern habe ich die Dinge damals erzählt.
Die Kommentare, die ich bis heute nicht verstehe "Ihr seit
Kinder. Kinder ärgern sich schon mal."; "Da muss du drüber
stehen:"; "Stell dich nicht so an" "Du bist doch
selber Schuld. Wehr dich".
Immer
wieder sind die Gedanken da, dass ich es vielleicht doch selber
Schuld war. Doch dann "Nein, warst du nicht". Ich war ein
Kind, dass einfach nur etwas stiller und in sich gekehrter war. Nicht
mehr und nicht weniger. Was ich hätte machen können weiß ich
nicht. Aber ich hätte mir einfach viel mehr Unterstützung und Verständnis gewünscht.
Solltet
ihr Lehrer, Eltern etc. Seien, HELFT. Lieber einmal mehr anstatt
einmal zu wenig. Ihr tut dem Betroffenen keinen Gefallen damit, wenn
ihr wegseht und/oder es nicht ernst nehmt.
Irgendwann
wurde es ruhiger. Also eigentlich gewöhnte ich mich daran das mich
niemand mag. Natürlich nahm ich mir die Dinge zu Herzen. In meinem
Kopf schwirrten Sätze rum "Du bist nichts, du kannst nicht,
keiner mag dich". Ich gewöhnte mich an dummen Sprüche,
Vergleiche und Gerüchte. Äußerlich versuchte ich die Dinge einfach
zu ignorieren. Doch es tat weh. Sehr weh.
Die
Schulzeit dort verging, ich wurde mit 16 Jahre und einem
Realschulabschluss entlassen. Da ich keine Ausbildung damals gefunden
habe, musste ich 1x die Woche auf eine Berufsschule. Dort war alles
super. Ich hatte Selbstvertrauen, war mutig und offen. Ich habe mich
echt wohl gefühlt. Ich meldete ich mich für den Vollzeitunterricht
an. Mit dem Ziel, danach mein Abitur zu machen und zu studieren.
Das
erste halbe Jahr war prima. Meine Klasse war in Ordnung, ich hatte
ein paar Freunde, meine Noten stimmten. Doch im zweiten Halbjahr ist
irgendetwas passiert, was ich nicht mitbekommen habe,
Dort
fing dann in den damaligen Sozialen Medien das "Cybermobbing"
an. Ich wurde in öffentlichen Chats beleidigt, es wurden Gerüchte
verbreitet. Von heute auf morgen war ich wieder der Außenseiter.
Meine
Reaktion ? Schule schwänzen
Ich
bin früh morgens aus dem Haus gegangen, nur bin ich nicht auf das
Schulgelände gegangen, sondern dran vorbei und hab viel Zeit auf dem
Friedhof hinter der Schule mit lesen verbracht.
2010
habe ich dann meine Ausbildung angefangen. Man sollte ja meinen, wenn
man mit Erwachsenen zusammenarbeitet, läuft alles besser. Leider
weit gefehlt.
Ich
wurde nicht beleidigt oder geschlagen. Nein, das nicht. Aber ich
wurde ausgegrenzt von meinen Kollegen. In der Pause hat keiner mit
mir gesprochen, Gespräche wurden abgebrochen wenn ich dazu kam.
Zwischendurch Ansagen wie "Du kannst das nicht". Ähm, ja,
ich mache eine Ausbildung und bin erst seit kurzem hier. Es soll ja
vorkommen, dass eine Ausbildung dafür da ist um die Dinge zu
erlernen. In dem ersten Betrieb dachte auch ein männlicher
Mitarbeiter "Oh, ein frisches Weibchen". Ich wurde
belästigt. Ich habe denjenigen bei meinem Chef gemeldet. Ob mir
geglaubt wurde weiß ich nicht. Aber ich hatte vier Wochen später,
am letzten Tag meiner Probezeit meine Kündigung in der Hand. Ob es
da einen Zusammenhang gibt, weiß ich nicht. Aber selbst wenn ich da
geblieben wäre, wäre ich vermutlich nicht glücklich gewesen da ich
immer Angst gehabt hätte.
Auch
der Betrieb wo ich meine Ausbildung fortsetzen durfte, war am Anfang
super. Alle waren nett und es hat Spaß gemacht. Doch auch dort
wurden irgendwann Gerüchte in die Welt gesetzt und mir Dinge
vorgeworfen die nie passiert sind.
Der
einzige Lichtblick in meiner Ausbildung war im die Berufsschulzeit
und die Lehrgänge. Da habe ich mich wirklich mit den meisten
verstanden und war beliebt. Das war die Zeit in der ich mich
wohlgefühlt habe.
Es
stellt sich die Frage, ob das jahrelange Mobbing bei mir Schäden
angerichtet hat oder nicht.
Klare
Antwort: Ja hat es.
Zum
Ende meiner regulären Schulzeit, also in dem Wechsel zwischen 10.
Klasse und Weiterbildung entwickelte ich eine Essstörung.
Rückblickend hatte ich damit schon immer zu kämpfen, in beide
Richtungen. Als Kind war ich dick. Mal hier ein Stück Kuchen, da ein
Schokocroissant und ein Brot mit Schokocreme. Abends süße Limonade.
Zudem deutsche Hausmannskost. Da ich mich nicht viel bewegt habe, da
ich nicht raus durfte zum spielen und toben, blieb ich zuhause und
spielte alleine.
Als
ich meinen Abschluss in der Tasche hatte, habe ich angefangen Sport
zu treiben. Ich bin fast jeden Tag Inliner gefahren. Da es ein heißer
Sommer war, war die Küche meistens kalt. Es gab viel Salat oder nur
leichte Kost. Das passte mir natürlich super in den Kram. Ich nahm
natürlich auch ab.
Ich
bekam Komplimente und konnte "hübschere" Kleidung kaufen
und tragen. Neben dem Inline skaten fing ich an, zwei bis dreimal die
Woche zum frühschwimmen zu gehen und ohne Pause durchzuschwimmen.
Zuhause wurde abends dann noch ein Homeworkout gemacht mit Sit-ups.
Ich
wurde immer dünner, aß weniger bis nichts, trank kaum noch was und
machte Sport wie eine Irre. Ich habe mir eingeredet, wenn du so und
so aussiehst, findest du Freunde, einen Freund und bist erfolgreich,
jeder mag dich. Natürlich war das nicht der Fall.
Anfangen
hat alles ca. Mitte 2007 und zog sich bis ca. Ende 2011. Ungefähr ab
Anfang 2012 habe ich wieder langsam angefangen zuzunehmen und auch
den extremem Sport eingestellt.
Alles
mit Hilfe und Geduld meines jetzigen Mannes.
Doch
nicht nur damit hatte ich zu kämpfen bzw. Kämpfe immer noch. Es ist
nicht mehr so extrem, aber die Gedanken sind da. Ich
leide unter Depressionen und Angststörungen. Ich habe Angst Menschen
zu vertrauen, ich denke sofort "Die mögen mich nicht" "Man
will mich nicht hier haben". Doch
deswegen bin ich seit 1,5 Jahren in Behandlung beim Therapeuten. Es
wird immer mal wieder etwas besser, aber es wird denke ich noch ein
sehr langer Weg werden.
Ich
kann Betroffenen nur dazu raten, sich Hilfe zu suchen. Auch wenn es
viel nicht verstehen, aber holt euch Hilfe. Wenn es seien sollen auch
in Form einer Therapie. Es geht nicht alles von heute auf morgen. Es
kann Jahre dauern und wird auch nicht leichter. Aber man kann
versuchen damit umzugehen und auch zu lernen.
IHR
SEIT NICHT SCHULD DAS IHR GEMOBBT WERDET!
Jeder
Mensch ist anders und das ist gut so !
Rückblickend
würde ich vielleicht meine Art und meine Optik nicht ändern können.
Ich bin immer noch ein zurückhaltender Mensch und brauche Zeit um
mit jemanden „warm“ zu werden.
Doch
mit dem Wissen von heute, Wissen das ich mir durch Büchern, TV oder
auch durch Gespräche mit anderen angeeignet habe, weiß ich einfach
das die Dinge die mir eingeredet wurden und auch die ich mir selber
eingeredet habe absoluter Blödsinn waren.Warum
die „Mobber“ gemobbt haben, weiß ich nicht und ich werde es
vermutlich auch nie erfahren. Vielleicht hatten sie selber Probleme
und haben ein Ventil gesucht, vielleicht waren sie auf irgendetwas
neidisch.
Heute,
Jahre später, ist die Lage einfach eine andere. Natürlich gibt es
immer noch Mobbing, egal ob in der Schule, im Betrieb oder auch im
Internet. Doch heutzutage kann man sich einfacher z.B an
Beratungsstellen etc. wenden. Zu meiner Zeit gab es so etwas noch
nicht oder war nicht bekannt.
Jetzt
geht man ins Internet, sucht nach Informationen und hat nach ein paar
Klicks eine Telefonnummer oder eine Beratungsstelle. Meiner
Meinung nach werden heutzutage Lehrer besser ausgebildet und in
diesen Themen geschult. Schulungen gegen Mobbing für Lehrer oder
auch für Schüler gab es entweder nicht oder zu wenig.
Aber,
lasst euch gesagt seien:
IHR
SEIT NICHT SCHULD DAS IHR GEMOBBT WERDET!
Jeder
Mensch ist anders und das ist gut so !
Es
gibt Hilfestellen, sucht diese auf. Es muss nicht soweit kommen, aber
dafür muss einem einfach viel viel früher geholfen werden. SUCHT
EUCH HILFE, bei Freunden, Beratungsstellen, Lehrern etc.
Wenn
ihr seht, dass jemand gemobbt wird, GREIFT EIN UND HELFT DER PERSON.
Seht nicht weg sondern unterstützt die Person die unter Angriffen
leiden muss.
Hier
noch das Cover und der Klappentext zu dem Buch, was ich euch oben
vorgestellt habe.
Über
zwei Millionen Menschen sind in Deutschland von Mobbing betroffen –
sei es am Arbeitsplatz, in der Schule oder in sozialen Medien.
Psychotherapeut und Mobbing-Experte Dr. Holger Wyrwa erläutert,
warum es jeden treffen kann, aus welchen Gründen jemand zum Mobber
wird und was man dagegen tun kann. Denn wer die Hintergründe
versteht, kann aktiv gegen Mobbing vorgehen. Darüber hinaus liefert
Wyrwa ganz konkrete Strategien, die Betroffenen helfen, Blockaden im
Kopf zu lösen und sich selbst zu verteidigen. Ein Thema, das uns
alle angeht!
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